Wodkabull #25: Ein halber Herbst
Herzlich willkommen bei Wodkabull, dem Newsletter mit Eva Reisinger. Hallo aus Wien und Prost!
Es startet der Herbst. So richtig fühlen, kann ich das nicht.
Eh wurscht. Ich mache es mir in der trügerischen Sonne bequem, bevor sich diese Bitch wieder für ein halbes Jahr nicht mehr blicken lässt.
LESEN WIR
Gerade noch passend im Spätsommer, lese ich 22 Bahnen, den Debütroman von Caroline Wahl. 22 Bahnen schwimmt Tilda Schmitt jeden Abend. Das braucht sie, das bringt sie weg von ihrem Alltag. Sie studiert Mathe, arbeitet nebenbei an der Kassa eines Supermarkts und kümmert sich um ihre kleine Schwester Ida. Für die ist sie eine Art Ersatzmutter, denn die leibliche Mutter ist Alkoholikerin und oft nicht zurechnungsfähig. Ich bin noch nicht weit, aber bisher total in love mit dem Ton und den Charakteren. Dieses Buch darf im Herbst, Winter, Frühling und sowieso immer gelesen werden.
LESEN WIR UND REDEN WIR DRÜBER
Letzte Woche habe ich sehr begeistert von Pick Me Girls von Sophie Passmann erzählt. Es macht Spaß, euch bei meiner Lektüre hier immer mitzunehmen. Manchmal ändern sich aber Meinungen über ein Buch im Laufe des Lesens. Plottwist, zumindest fühlte es sich für mich so an. Das erste Drittel mochte ich. Ich fand die Thesen mutig bis streitbar. Danach schlichen sich Thesen ein, die ambivalent sind, für mich überhaupt keinen Sinn machen oder die ich einfach nur peinlich finde. Ein Beispiel: “Ich möchte nicht, dass Frauen glauben, es würde reichen, so zu sein wie andere Frauen, weil ich glaube, dass Frauen heute nicht ansatzweise so interessant sind wie junge Männer.” Weiters schreibt Passmann darüber, dass so viele junge Frauen in ihrem Umfeld keine Hobbys oder Musikgeschmack hätten und nur ihre Partner kopieren würden. Ich musste diese Sätze mehrmals lesen. Weil bitte was??? Es gibt einige ähnlich problematische Stellen. Daran reibe ich mich. Nicht an den normalisierten Schönheitseingriffen, der Person Passmann oder ihren Privilegien. Ich finde es sauschade und unnötig, wie sich dieses Buch entwickelt. Immerhin hab ich beim Lesen eine Buchidee entwickelt. Meine These: Jede angeblich noch so uninteressante Frau, mit wenigen oder gar keinen Hobbys und oder keinen Musikgeschmack (was auch immer das heißen soll?) ist immer noch hundert Mal interessanter als jeder Mann.
Jede angeblich noch so uninteressante Frau, mit wenigen oder gar keinen Hobbys und oder einem schlechten Musikgeschmack, ist immer noch hundert Mal interessanter als jeder Mann.
HÖREN WIR
Heute Abend feiern wir die Premiere von MÄNNER TÖTEN in der Superbude in Wien. Danach legen Julia Deutsch und ich aka CABINA ELETTRICA gemeinsam auf. Für die Zeit dazwischen hab ich einen Soundtrack gebastelt, in den ihr reinhören könnt.
SCHAUEN WIR
Ich mag das Konzept von interaktiven Serien. Auf Netflix gibt es jetzt immer wieder Formate, in denen das Publikum mitbestimmen darf. Choose Love ist so eine Serie. Protagonistin Cami muss sich entscheiden. Sie ist auf der Suche nach dem Glück und das sollen ausgerechnet drei Männer bringen. Leider ist die Serie genauso schlecht, wie sich der Plot anhört. Ich habe mich durchgevotet durch die unterschiedlichen Erzählstränge (also Männer) und finde sie ausnahmslos alle schlecht. Ich hab keinen Bock mehr auf Serien, in denen sich eine Frau zwischen drei Männern entscheidet. Ich wünsch mir eine Serie, in der sich eine Frau zwischen drei Karrieren, zwischen drei Deos oder drei Haustieren entscheidet. Ich wünsche mir eine Serie, in der ich auswählen kann: “Keinen von diesen Dudes, danke!”
MACHT FRIED
Frieda lebt ihr privileged life as always. Nächste Woche darf sie eine Woche bei meiner Familie bleiben, weil ich für Lesungen nach Berlin fahre. Dann gib’s durchaus mal ein Käsebrot vom Tisch, weil sie doch so lieb schaut und wirklich sonst eh nie was kriegt!
Damit verabschiede ich mich diese Woche. Ich sage heute Abend sicher ganz oft Prost!
Eure Eva.
Foto: Dumont, Reisinger, Youtube