Weihnachten steht vor der Tür und damit bei einigen auch die Familienfeiern. Ich verbringe meine Zeit immer bei meiner Familie in Oberösterreich und weiß, wie privilegiert ich bin, gerne Zeit mit meiner Familie verbringen zu können. Unsere Weihnachtstage werden von Traditionen dominiert, die auf keinen Fall verändert werden dürfen. Baum wird am 24. vormittags aufgestellt. Danach Kartoffelsuppe. Abends Würstel. Am nächsten Tag kommen die einen Verwandten. Am übernächsten die anderen. Gesungen wird andauernd und gegessen sowieso.
Jedes Jahr nehme ich vor, über diese Tage abzuschalten, aber gerade wenn Patchworkfamilie auf Großfamilie trifft, bleibt gar keine Zeit für einen selbst, weil man von Feier zu Feier hetzt. Die vergangenen Jahre war ich immer spätestens an Silvester krank. Neben Hals-, Kopf-, und Gliederschmerzen litt ich auch an Social Overload. Im Nachhinein wundert es mich überhaupt nicht, dass mein Körper irgendwann (eigentlich eh sehr spät) stop geschrien hat. Dieses Jahr versuche ich (mal wieder) ein bisschen Ruhe reinzubringen. Mir weniger auszumachen, die Feiern einzugrenzen und dann keine Partys mehr, sondern nur noch Ruhe. Ja ich bin mittlerweile gerne so alt, um stolz zu sagen, ich will ein ruhiges Silvester, bei dem ich nichts, absolut gar nichts organisieren muss. Wir werden es hoffentlich im Schnee verbringen.
Was ich an den Feiertagen sonst noch mache und was mir ein bisschen hilft, die Zeit gut zu überstehen:
Nachsicht. Klingt wie eine Kalenderweisheit, aber true. Eine meiner besten Freundinnen sagte einmal, sie nehme sich jedes Mal wieder vor, bei ihren Eltern nicht auszurasten und jedes Mal passiert es doch wieder und sie ist enttäuscht von sich selbst. Es ist Blödsinn zu denken, dass wir ausgerechnet im familiären Umfeld plötzlich chillen können. Seien wir nachsichtig mit uns selbst. Dann chillen wir halt nicht.
Handy aus. Ich versuche nach den beiden Weihnachtsfeiern mein Telefon so lange wie möglich auszuschalten. Ja ich weiß, ich verpasse eure Bäume, eure Hunde, eure selbst gebackenen Kekse. Aber ich will sie verpassen. Ich will mich mit niemandem vergleichen. Die eigene (optional) schlechte Laune ist viel leichter auszuhalten, wenn man nicht das Gefühl hat, dass alle anderen gerade das beste Weihnachten ihres Lebens haben.
Überdenken, wie viele Feiern man braucht und mit wem man feiern möchte und mit wem man glaubt feiern zu müssen. Familie können genauso Freund*innen sein. Von Besuchen, die man glaubt machen zu müssen, profitiert meiner Meinung am Ende eh niemand.
Lesen. Und Nicht-Lesen. Ich nutze diese Zeit gern, um zu lesen. Am liebsten Erotikromane. Ein paar Tage mache ich bewusst auch Lesestopp. Das ist eine sehr polarisierende Übung im Creative Writing. Mir hilft es, ein paar Tage gar nichts zu lesen. Nada. Keine Zeitung, kein online Artikel, kein Buch. Das ist wie ordentlich durchlüften im Hirn. Wir wollen da ja auch keinen Schimmel anhäufen.
Erwartungen senken. Wenn der Hund während dem Jahr nicht auf der Decke bleibt, wird es zu Weihnachten mit hundert Leuten im Wohnzimmer auch nicht funktionieren. Wir hoffen, nur weil uns es wichtig wäre, dass sich die Kinder, Partner*innen und Haustiere an den Feiertagen benehmen. Ich finde: Scheiß drauf! Deckentraining kann man im neuen Jahr starten, auch zu Weihnachten darf man über den Geschirrspüler streiten und die Kinder sind sowieso im Schoko-Rausch.
Alles tut weh. Ja und manchmal werden wir leider genau krank, schießt es im Rücken ein und werden die Gedanken düster, wenn wir zur Ruhe kommen. Ich spreche aus Erfahrung. Ich denke dann immer an meine Mama, die mir in einem Telefonat einmal erklärt hat, dass es mir nicht immer gut gehen könne. Das klingt erst mal banal, aber je länger ich darüber nachdachte, desto mehr konnte ich damit anfangen. Manchmal muss es mir auch schlecht gehen, damit es dann wieder besser werden kann.
Und zum Abschluss hab ich noch einen familiären Rat im Repertoire. Wer sich ärgert, dass an Weihnachten irgendwas im oder am Körper wehtut, soll an meinen Onkel denken. Der sagt: “Wenn mir nichts mehr wehtut, bin ich tot!”
Bussis und Baba,
eure Eva
Nachsicht zu Weihnachten (und überhaupt immer wahrscheinlich) ist eine sehr schöne Idee, das praktiziere ich auch. Sonst zieht – wie bei dir – mein Körper die Notbremse. Darüber, wie schlau sie sind, wenn sie das machen, habe ich hier geschrieben: https://fastjedensonntag.substack.com/p/74-die-perfekte-notbremse